Momentaufnahme Deutschland: Europas größte Volkswirtschaft 

von Nkosilathi Dube, Trive Financial Marktanalyst 

Deutschland, Europas wirtschaftliches Kraftpaket, kämpft mit einem empfindlichen Gleichgewicht inmitten wirtschaftlicher Herausforderungen. Das entschlossene Bestreben der Europäischen Zentralbank, die Inflation einzudämmen, führte zu zehn aufeinanderfolgenden Zinserhöhungen, die in einer Pause bei 4,5% gipfelten. Dies brachte die Inflation zwar näher an das 2%-Ziel heran, doch die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft waren deutlich spürbar. Deutschlands Wirtschaftsmotor hat mit Gegenwind zu kämpfen, da Inflation, Einbrüche in der Industrie und Spannungen auf dem Arbeitsmarkt schwer wiegen und das Land mit einer Verlangsamung zu kämpfen hat. 

Quelle: Trive – TradingView, Nkosilathi Dube 

BIP und industrielle Verlangsamung

Im dritten Quartal 2023 schrumpfte das deutsche BIP um 0,1%, was auf eine schwache Konjunktur hindeutet. Der Industriesektor musste einen Rückgang von 1,3% hinnehmen, während die Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes im vorangegangenen Quartal um 0,9% sank, was vor allem auf einen Rückgang der Kraftfahrzeugproduktion zurückzuführen ist. Im Jahresvergleich war das BIP um 0,4% niedriger als im dritten Quartal 2022. Dieser Einbruch steht in krassem Gegensatz zu anderen Industrieländern wie den USA, Frankreich und Spanien, wo der Abschwung nicht so deutlich ausgefallen ist. 

Quelle: Trive – EUROSTAT, Nkosilathi Dube 

Inflationsdynamik 

Die Inflation, ein ständiges Problem, lag im Oktober 2023 bei +3,8% – dem niedrigsten Stand seit August 2021 – was eine Abschwächung gegenüber dem früheren Höchststand von +4,5% bedeutet. Während sich die Energiepreise abschwächten, blieben die Lebensmittelpreise nach wie vor auf einem hohen Niveau, was eine anhaltende Herausforderung für die Inflationssteuerung darstellt.  

Nachdem die Energie- und Rohstoffpreise in Krisenzeiten die Inflation angetrieben hatten, sind sie nun deutlich zurückgegangen. Im Oktober 2023 fielen die Preise für Energieerzeugnisse um 3,2%, was sich dämpfend auf die Inflation auswirkte. Dieser Rückgang, angeführt von einem Rückgang der Kraftstoffpreise um 7,7% im Vergleich zum Vorjahr, trug erheblich zur allgemeinen Verringerung des Inflationsdrucks bei. Die Preise für Nahrungsmittel bleiben jedoch ein Inflationstreiber und stiegen gegenüber Oktober 2022 um 6,1%. 

Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt 

Der Arbeitsmarkt spiegelt diese wirtschaftliche Anspannung wider und verzeichnet einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 5,8% – den höchsten Stand seit Mitte 2021. Nach den Ergebnissen der Arbeitskräfteerhebung waren im Oktober 2023 2,63 Mio. Menschen arbeitslos. Der Abbau von Arbeitsplätzen durch große Unternehmen wie die Deutsche Bank hat den Druck noch erhöht, da die Zahl der offenen Stellen im Vergleich zum Vorjahr um 13% zurückgegangen ist.  

Einkaufsmanagerindex (EMI) 

Der Einkaufsmanagerindex (Purchasing Managers‘ Index) der ein Indikator für die wirtschaftliche Gesundheit ist, zeigte besorgniserregende Tendenzen, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe, die zur allgemeinen wirtschaftlichen Schrumpfung beitrugen. Allerdings gab es gegen Ende des vierten Quartals 2022 Anzeichen für eine Stabilisierung des Abschwungs, als der zusammengesetzte EMI so langsam fiel wie seit vier Monaten nicht mehr.  

Der Composite Purchasing Managers‘ Index (PMI) für Deutschland, ein wichtiger Indikator für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor, lag im November mit 47,1 Punkten den fünften Monat in Folge unter der entscheidenden 50er-Marke, was auf eine anhaltende Schrumpfung infolge der schwachen Nachfrage hindeutet. 

Quelle: Trive – TradingView, Nkosilathi Dube 

Ausblick und Erholungserwartungen 

Die deutsche Wirtschaft befindet sich seit dem dritten Quartal in einer Rezession, wie der EMI vom November bestätigt. Trotz des verlangsamten Rückgangs bleibt die Erwartung eines Aufschwungs im Jahr 2023 bestehen. Die Europäische Kommission rechnet jedoch mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,3% im Jahr 2023 und begründet dies mit der verminderten Kaufkraft aufgrund der hohen Inflation und der strengen Geldpolitik. Die globalen wirtschaftlichen Bedingungen dämpfen die Auslandsnachfrage und verschlechtern die Handelsaussichten. Die Aussichten zeigen ein BIP-Wachstum von 0,8% im Jahr 2024 und 1,25% im Jahr 2025, angetrieben durch steigende Reallöhne, die die Erholung der inländischen und internationalen Nachfrage stimulieren. 

Fazit

Deutschland sieht sich mit einem komplexen Umfeld konfrontiert, in dem die Inflation, der Abschwung in der Industrie und die Probleme auf dem Arbeitsmarkt für erheblichen Gegenwind sorgen. Der Erholungsprozess hängt davon ab, die Inflation in den Griff zu bekommen, den Binnenkonsum durch Reallohnzuwächse zu beleben und die sich erholende globale Nachfrage zu nutzen. 

Quellen: Europäische Zentralbank, Federal Statistical Office, Europäische Kommission, EUROSTAT, Reuters, S&P Global, Financial Times, OECD, TradingView