Werden deutsche Aktien 2023 steigen?

von Nkosilathi Dube, Marktanalyst bei Trive Financial

Im Jahr 2023 werden deutsche Aktien einen kontinuierlichen Anstieg verzeichnen, der durch eine steigende Risikobereitschaft inmitten einer sich ändernden Marktstimmung bezüglich der Zinsen unterstützt wird. Insbesondere der Germany MSCI ETF iShares (EWG – ISIN: US4642868065) ist ein Beispiel für diesen Aufschwung.

Dieser ETF bildet den MSCI Germany Index ab und verwendet eine nach Marktkapitalisierung gewichtete Methodik, um die Performance großer und mittelgroßer Unternehmen in Deutschland zu messen. Durch die Diversifizierung über Sektoren wie Industrie, zyklische Konsumgüter, Finanzwerte und Gesundheitswesen bietet er Investoren ein breites Spektrum der deutschen Wirtschaft.

Nach einem schwierigen Jahr 2022, in dem der Marktwert um 25 % zurückging, hat sich der EWG gut erholt und ist seit Jahresbeginn um beachtliche 4,08 % gestiegen. Die rasante Talfahrt des Vorjahres war vor allem auf den seit mehr als zwei Jahrzehnten schärfsten geldpolitischen Straffungskurs der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückzuführen. Auslöser war die hohe Inflation, die die Zinsen in die Höhe trieb. Infolgedessen sahen sich Verbraucher und Unternehmen mit höheren Kreditkosten konfrontiert, was die Ausgaben einschränkte und die Kosten für börsennotierte Unternehmen in die Höhe trieb.

Quelle: Trive – TradingView, Nkosilathi Dube

Technische Analyse

Der MSCI EWG entwickelte sich Ende 2022 bemerkenswert und setzte sein positives Momentum im laufenden Jahr fort. Ein Ausbruch aus dem begrenzenden Abwärtskanalmuster signalisierte eine Trendwende nach unten, die durch überverkaufte Relative-Stärke-Indexniveaus unterstützt wurde. Dieser Anstieg führte zu einem erneuten Test des gleitenden 100-Tage-Durchschnitts, der ein Unterstützungsniveau bei 19,38 USD markierte.

Das Momentum stieß jedoch auf Widerstand bei 29,56 USD, wo es zu einem kurzen Einbruch kam, bevor es zu einem erneuten Test kam. Dieses Niveau erwies sich als kritischer Punkt, da eine Doppel-Top-Formation ein zunehmendes Abwärtsmomentum signalisierte. Derzeit findet ein Retracement statt, wobei das 38,20 % Fibonacci Retracement Level ins Spiel kommt.

Für aufmerksame Anleger stellen das 50%-Retracement und die 19,38 USD-Marke potenzielle Brennpunkte dar, sollte sich die Abwärtsdynamik fortsetzen. Umgekehrt könnte ein Wiederaufflammen des Optimismus dazu führen, dass EWG wieder in Richtung der 29,56 USD-Marke steigt.

Fundamentalanalyse

Quelle: Trive – Financial Times, Nkosilathi Dube

Der EWG bietet ein konzentriertes Engagement in Schlüsselsektoren, wobei Finanzdienstleistungen, Industriewerte, zyklische Konsumgüter und Technologie das Rückgrat bilden und zusammen fast zwei Drittel der Allokation ausmachen. Der Finanzsektor liegt mit 18 % an der Spitze, dicht gefolgt von Industriewerten mit 17 % sowie zyklischen Konsumgütern und Technologie mit jeweils 16 %.

Die Widerstandsfähigkeit des ETF gegenüber steigenden Zinsen ist auf den hohen Anteil an Finanzdienstleistungen zurückzuführen. Diese Titel entwickeln sich in einem Umfeld mit hohen Zinsen gut, da sie von höheren Nettozinserträgen profitieren. Diese Stärke hat entscheidend zur Performance des CEE ETF beigetragen.

Die anderen Sektoren sehen sich jedoch einem schwierigeren Umfeld gegenüber, das unter dem Druck hoher Zinsen steht. Höhere Zinsen führen zu höheren Kreditkosten, die sich negativ auf die Erträge auswirken und die Konsumausgaben dämpfen. Dieses komplexe Zusammenspiel von Sektorengagement und Zinsdynamik unterstreicht den nuancierten Charakter des EWG-Portfolios und wirft ein Licht auf die zugrunde liegenden Faktoren, die seine Performance beeinflussen.

Quelle: Trive – Financial Times, Nkosilathi Dube

Die EWG zeichnet sich durch eine strategische Allokation aus, bei der die zehn größten Titel 56 % des Gesamtportfolios ausmachen. Diese konzentrierte Auswahl besteht aus renommierten Blue-Chip-Unternehmen, die ein breites Spektrum an Sektoren repräsentieren.

Innerhalb dieser Elitegruppe finden Investoren eine ausgewogene Mischung aus Value- und Growth-Aktien, die einen dynamischen Investmentansatz verkörpern. Diese Mischung aus etablierten und finanziell soliden Unternehmen verleiht dem Fonds nicht nur Stabilität, sondern bietet auch das Potenzial für stetige Erträge und ein hohes Kapitalwachstum. Diese einzigartige Kombination aus Branchendiversifikation und Anlagestil unterstreicht die durchdachte Auswahl des EWG ETF und macht ihn zu einer interessanten Wahl für Investoren, die ein Engagement im deutschen Markt suchen.

Quelle: Trive – TradingView, Nkosilathi Dube

Der Industriesektor, ein Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft, verzeichnet seit 2020 einen deutlichen Produktivitätsrückgang. Dieser Abschwung spiegelt sich deutlich in der deutschen Industrieproduktion und den Auftragseingängen wider. Diese Messgrößen dienen als Barometer für die Produktion der im Industriesektor integrierten Unternehmen bzw. für die Auftragseingänge im produzierenden Gewerbe. Der endgültige Einkaufsmanagerindex (PMI) für das produzierende Gewerbe setzte im Juli seinen Abwärtstrend, den sechsten Monat in Folge fort.

Im Jahresvergleich ist die Industrieproduktion auf ein Niveau zurückgegangen, das an die Zeit vor der Pandemie erinnert, und damit weit entfernt von dem Höchststand, der 2021 zu beobachten war, als die pandemiebedingten Unterbrechungen allmählich nachließen. Diese Verlangsamung wirkte sich deutlich auf die Performance der Industrieaktien aus, die den zweitgrößten Anteil des CEE ETF ausmachen. Mit dem Rückgang der Produktivität ging auch der Wert dieser Aktien zurück, was die zentrale Rolle dieses Sektors für die Gesamtperformance des Fonds verdeutlicht.

Quelle: Trive – TradingView, Nkosilathi Dube

Die deutsche Wirtschaft zeigte im zweiten Quartal keine Anzeichen einer Erholung und stagnierte nach der Winterrezession. Damit zementiert sie ihre Position als eine der schwächsten großen Volkswirtschaften der Welt. Die BIP-Zahlen, die ein Nullwachstum ausweisen, entsprechen einer früheren Schätzung. Im Jahresvergleich schrumpfte das bereinigte BIP im zweiten Quartal um 0,2 %. Damit schrumpfte es zwei Quartale in Folge und entspricht der technischen Definition einer Rezession.

Zusammenfassung

Die CEE hat die wirtschaftlichen Herausforderungen geschickt gemeistert und sich trotz der rigiden Geldpolitik der EZB und des Rückgangs der industriellen Produktivität als widerstandsfähig erwiesen. Der ausgewogene Ansatz, der Stabilität mit Wachstumspotenzial verbindet, bietet ein diversifiziertes Engagement in den wichtigsten Sektoren und sorgt für eine ausgewogene Diversifizierung. Die zugrunde liegenden Schwachstellen der deutschen Wirtschaft können jedoch kurz- bis mittelfristig Druck auf die CEE ausüben. Dies erfordert eine vorsichtige Berücksichtigung von Risikofaktoren bei Anlageentscheidungen.

Quellen: London Stock Exchange Group, Europäische Zentralbank, Statistisches Bundesamt, HCOB, Reuters, TradingView, Koyfin